… oder auch: “Boah, fall doch nicht auf das Like-Gebettele rein!”
Aber fangen wir doch von Anfang an an. Wenn ich eine Webseite habe, dann möchte ich natürlich, dass sie von anderen gelesen wird. Insbesondere habe ich ein sehr großes Interesse hieran, wenn ich eine Firma bin, und mit meiner Webseite direkt oder indirekt Geld verdiene. Wie findet man eine Webseite? Nun, damals war das noch ein wildes unterfangen, heute gibt es Google, welches mittels vieler intelligenter Methoden und Profiling weiß, was ich wahrscheinlich sehen möchte.
Und woher weiß Google das? Nun, genau dazu gibt es sogenannte Website-Rankings. Diese sortieren Webseiten anhand der Relevanz, und der Beliebtheit – ganz grob gesagt. In wirklichkeit sind das natürlich sehr ausgefeilte Algorithmen, die unterschiedliche Parameter untersuchen, diese mit persönlichen Preferenzen des Suchenden abgleichen und daraus individuell errechnen, was man eigentlich sehen möchte.
Eines dieser Parameter nennt der Fachmann “Social Signal“, also in etwa gesellschaftliches Signal. Was genau bedeutet das? Nun, um zu gucken, ob eine Seite relevant ist oder nicht, wird schon lange nicht nur nach den eingehenden Verlikungen und häufigen Klicks geguckt. Nein, heute ist viel relevanter, was das “Soziale Netz” über eine Seite sagt. Sprich, untersucht werden “Shares” auf Twitter, Facebook, Google+, sowie “Likes” oder “+1” auf Facebook oder Google+. Ja, diese Informationen werten Suchmaschinen, wie Google aus, und wenn ein Profil hinterlegt wird, fallen natürlich auch noch Shares, Likes und +1 von Freunden auf diesen Netzwerken stärker ins Gewicht als die von anderen.
Aber auch auf den Sozialen Netzen selbst haben diese Signale eine wichtige Bedeutung. So hat Facebook bspw. schon gar keine zeitliche Sortierung der Beiträge mehr – die Nutzer sehen das, von dem Facebook denkt, dass es einen interessieren könnte, weiter oben – uninteressante Beiträge erscheinen später, bei einem Reload, oder manchmal auch garnicht. Alle Aktivitäten wiederum sind im Kleinen auf der Seite rechts oben zu sehen – und hier werden wieder alle Aktivitäten aufgelistet. D.h. dass ein Nutzer, der einen Beitrag erstellt, kan nicht mehr sicher sein kann, dass jeder diesen Beitrag sieht – liked aber jemand anders diesen Beitrag, so ist dies für alle in dessen Freundeskreis sichtbar – die Wahrscheinlichkeit, dass jemand dieses mitbekommt, und deshalb anklickt und vielleicht sogar auch liked, steigt also exponentiell. Daher raten SEO-Experten auch zum (eigentlich als “pfui” geltendes) “Selbst-liken”; damit umgeht man dann, dass der eigene Beitrag bei den anderen im Nirvana verschwindet.
Und jetzt geht dem ein oder anderen vielleicht auch ein Licht auf, warum bestimmte Leute und Seiten andauernd nach “Likes” betteln. Teilweise mit den traurigsten Methoden: “Find’ste sie hot?? -> Like! Not?! = Comment”. Und es gibt immer irgendjemanden im eigenen Freundeskreis, der auch auf so etwas eingeht *facepalm*. “Fairer” sind da schon Seiten, die Likes und Comments mit einem Preis versehen – das machen vor allem kleinere Seiten, Musiker, Schriftsteller, Blogs, Versandhäuser, etc. Und da stehen die Chancen dann auch, je nach Bekanntheitsgrad, nicht so schlecht, etwas zu gewinnen, für seinen Like/Comment. Ob man das nun moralisch richtig findet, und mitmacht, muss jeder für sich entscheiden.
Die Höhe der Dreistigkeit aber sind in meinen Augen Seiten, die einen für dumm verkaufen wollen. Es wird eine lustige Geschichte erzählt; irgendetwas das passieren wird, wenn z.B. eine Millionen Likes zustande kommen. Ein aktuelles Beispiel und mein Anlass für diesen Beitrag: Die hübsche, junge Volontärin Anna macht den “Selbstversuch”. Sie möchte selbst Chefin sein, bei WAZ – und ihr Chef will zwar nicht, würde sich aber dem Druck der Masse beugen. Anna muss eine Millionen Likes sammeln, dann darf sie. Für einen Tag. Ein bisschen naiv wird sie im zugehörigen Beitrag dargestellt:
Ich soll freundlich und sympathisch sein. Das kriege ich hin, freundlich kann ich gut. Ich nehme Pakete für meine Nachbarn entgegen und behalte sie auch dann nicht heimlich. Ich biete meinen Platz Omas und Opas in der Bahn an, und an der Kasse lasse ich Leute mit zwei Teilen vor. Außerdem lächle ich und grüße – auch fremde Menschen.
Dazu ein Foto mit selbstgemachtem Schild, dass sie mit Hundeblick in die Kamera hält. Wer kann es ihr denn da verwehren wollen, dass sie für einen Tag Chef spielen darf?
Natürlich wird das Bild von der WAZ-Präsenz auf Facebook geteilt, die Likes gehen also auf das WAZ-Konto. Und dass die sich gar nicht so dumm angestellt haben, zeigt sich u.A. dadurch, dass gerade wieder eine Welle an “Likes” auf Facebook losgetreten wurde – ich habe das Bild heute drei male gesehen. Der durchschnittliche Facebook-Nutzer wird daraufhin vielleicht schmunzeln, sein Like drunter setzten, und weiter scrollen. Aber halt doch mal. Bis wann muss Anna die Likes eigentlich zusammen haben? Dazu gibt es auf Facebook keine Informationen. Auch muss man, um zu sehen von wann das Bild ist, dieses erst einmal anklicken. Wer das nicht tut, dem entgeht wahrscheinlich, das der Artikel von Februar 2013 ist. Fast ein Jahr ist das ganze her. Und seit einem dreiviertel Jahr arbeitet Anna auch garnicht mehr bei WAZ, verrät ihr öffentliches Facebook-Profil. Im Mai 2013 hat sie ihr Volontariat aufgegeben. Auch kann sie – obwohl sie die Likes noch garnicht zusammen hat, garnicht so naiv sein. Studiert, mehrere Praktika in der Medinebranche, dann das Volontariat bei WAZ – und jetzt ist sie wirklich Chefin. Als Mitinhaberin einer mit zwei Schulfreunden selbst gegründeten Modemarke – Glückwunsch!
Aktuelle Kommentare zum Bild
Ihr Bild aber geistert weiter durch Facebook und wird das noch eine ganze Weile tun. Denn es gibt genug Unbewusste, die ihr “Like” dafür hergeben – heute über den Tag sind es fast 100 000 Likes gewesen, nachdem die Welle wieder losgetreten wurde. Es kostet ja auch nichts, und tut nicht weh. Im Hintergrund aber freut sich der einzige wirkliche Gewinner der Aktion: WAZ. Denn jedes Like wird weitere Besucher generieren, und auf die WAZ-Seite aufmerksam machen. Und damit nicht nur Umsatz generieren, sondern auch dafür sorgen, dass Google WAZ-Beiträge für relevant für mich hält – immerhin liken so viele meiner Freunde das…
Als kleine Bitte also: Mein_e liebe_r Facebook-Freund_in! Lass Dich nicht von Like-Bettlern veräppeln. Lass nicht zu, dass Unternehmen das “Like” instrumentalisieren, um damit Geld zu machen. Nutze das Like statt dessen für das, für das es vorgesehen war: Um anzugeben, dass Dir etwas gefällt. Weil es Dir gefällt, und nicht weil andere Dir sagen, dass Dir etwas gefallen soll…
Und weil ich möchte, dass Du es auch siehst, werde ich es jetzt – ganz pfui – auf Facebook auch selbst liken!